An ihr ist alles rund. Gesicht, Wangen, Augen, Kinn, und auch der Mund besteht aus geschwungenen Rundungen. Sie ist nicht älter als 17, trägt einen weiten dunklen Wollmantel unter dem man weitere Rundungen ahnen kann. Neben sich auf den Sitz hat sie eine große weiße Tasche gestellt, von der Art, die man bekommt, wenn man etwas teurer einkauft. Sie hat eine Aufschrift mit etwa folgendem Inhalt: „Wenn Träume wahr werden.“ Kaum, dass sie sitzt, öffnet sie die Tasche, wirft einen Blick hinein, so wie man sich über gelungene Einkäufe freut. Vielleicht schöne Wäsche, nach der Tasche zu urteilen, oder ein neues Oberteil. Nach kurzem Zögern holt sie ein großes Buch heraus, ein Bildband vielleicht oder eine Fotoreportage. Das Buch in der Hand haltend, schaut sie sich lächelnd den Deckel an. Auf der Rückseite kann man die Zahl 100 erkennen, 100 Wege glücklich zu werden? 100 Bilder aus dem Norden? Nein, es sind 100 Keksrezepte mit Hochglanzfotos der dazugehörigen Kekse. Mein rundes Gegenüber beginnt nun Seite für Seite durch diese Keksparadies zu wandern. Bei jedem Bild verharrt sie ein paar Sekunden. Man sieht den Genuss des mentalen Kostens an ihren Augen, die das Bild der Kekse ohne Eile aufnehmen, an den runden, geschwungenen Lippen, die geschlossen sind, als wäre der betrachtete Keks im Mund und würde langsam auf der Zunge zergehen, der letzte Rest am Gaumen kleben und dann nur noch ein köstlicher Nachhall von Zimt und Koriander oder Vanille übrig bleiben. Im ruhigen, gleichmäßigen Tempo genießt sie Seite für Seite, Keks für Keks…
Schade, in Altona klappt sie ihr Buch zusammen, packt es ein und steigt aus. Oft reicht schon ein Buch aus, um Träume wahr werden zu lassen.