Verloren

Beim Einsteigen fiel ihm nichts Ungewöhnliches auf.
Alle Plätze waren noch unbesetzt – der Zug startete hier, und er war der erste Fahrgast. Früh dran, entspannt.
Er verstaute seinen Koffer, legte den Rucksack neben sich und setzte sich auf den Fensterplatz.

Der Zug setzte sich in Bewegung. Als die Stadt hinter ihm verschwand, begannen Felder, Wiesen und kleine Wälder vorbeizuziehen. Das gleichmäßige Klacken der Räder wurde zu einem monotonen Rhythmus –
klack-klack, klack-klack, klack-klack.
Masten erschienen, verschwanden. Er schloss die Augen und ließ sich von den Geräuschen und Bewegungen wiegen.

Dann – ein Bruch.
Ein plötzlicher Taktwechsel.
Das Klacken wurde zum Stakkato, rasant, hektisch –
bis es in völlige Stille kippte.

Das Abteil war verschwunden.

Er stand in einem Raum von etwa drei mal vier Metern. Keine Fenster, keine Türen. Hellbraune, glatte Wände. Keine Sitze. Kein Geräusch.
Ein leerer Kubus.

Verzweifelt klopfte er an die Wände, schrie, wimmerte, weinte. Dann krümmte er sich auf den Boden, zog die Beine an, legte die Arme über Kopf und Ohren –
und gab auf.

Nach einer gefühlten Ewigkeit – die vielleicht nur eine Sekunde dauerte –
ratterte der Zug wieder.

Er saß wieder auf seinem Platz.
Vor dem Fenster: eine Stadtlandschaft. Industriegebäude. Gleisanlagen.
Der Zug fuhr in einen großen Bahnhof ein und hielt.

Verwirrt nahm er Koffer und Rucksack und stieg aus.
Die Halle war groß, voller Stimmen, Lautsprecherdurchsagen, eiligen Menschen. Alle unterwegs, alle mit einem Ziel.
Er stand einfach da, mitten auf dem Bahnsteig.

Er wusste nicht, wo er war.
Nicht, welcher Ort das war.
Nicht, warum er hier war.
Er erinnerte sich an die schreckliche Zugfahrt, an den Start in seinem Heimatort –
aber nicht an sein Ziel.

Schließlich fasste er einen der Vorbeigehenden am Ärmel.

„Entschuldigung… Wo bin ich hier?“

Der Mann sah ihn kurz verwundert an. Dann sagte er:
„Das ist deine neue Welt. Weißt du das nicht?“


 


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