Theo ging weiter. Die Halle öffnete sich zu einem Nebenraum. Fast genauso hoch wie die Haupthalle. Hier gab es keine Clowns oder Zauberer. Alles war dicht bewachsen mit fremdartigen Gewächsen, Sträucher, Bäume die fast bis zur Glasdecke hoch wuchsen. Es erinnerte ihn an das Gewächshaus im Botanischen Garten, in dem er einmal mit seiner Mutter gewesen war. Theo folgte einem mit runden Steinen eingefassten Weg. Ein weißes Kaninchen hoppelte über den Weg und verschwand dann im Gebüsch. Über ihm flatterte es im Blätterdach und als Theo nach oben blickte, sah er einige weiße Tauben, die aufgeregt herumflogen, während eine Krähe aufflog und sich dann auf einem der nächsten Bäume niederließ.
Nun sah er, dass es noch mehr Tiere hier gab. Einige der Nachbarbäume waren dicht bevölkert von Flugechsen mit langen spitzen Schnäbeln, die auf ihn heruntersahen. Ganz oben, unter der Glasdecke schwebte ein riesiger Vogel mit ausgebreiteten Flügeln, scheinbar mindestens so groß wie ein ausgewachsener Mann. Der gewaltige Vogel kreiste langsam unter der Glasdecke, seine gelben Augen fixierten Theo reglos, als würde er nur auf ein Zeichen warten.
Da wo das Kaninchen im Wald verschwunden war stand ein Mann mit langen lockigen Haaren und Vollbart und starrte ihn an. Er hatte seine muskulösen Arme über seiner nackten Brust verschränkt, rührte sich nicht. Theo wurde etwas unheimlich und ging rückwärts ein Stück nach hinten. Nun konnte er sehen, dass der untere Teil des Mannes der Rumpf eines Pferdes war. Seine Augen waren Theo gefolgt, starrten ihn weiterhin an. Auch die Flugechsen in den Bäumen sahen weiter auf ihn hinunter. Aber keine von ihnen bewegte sich ansonsten, ebenso wenig wie der Pferdemann. Außer dem Krächzen der Krähe war es sonst sehr still.
Theo hatte sich etwas beruhigt. Das war alles nicht echt hier, nichts vor dem man sich fürchten musste. Dieses Panmysterion war eine Ausstellung mit nachgemachten Figuren von Fabelwesen. Es würde ihn nicht wundern, wenn er gleich eine Ansammlung von Elfen auf einer Lichtung sehen würde oder Zwerge mit Schneewittchen in ihrem gläsernen Sarg. Das war hier so eine Art Märchenwald, so etwas hatte er auch schon mal mit seiner Mutter besucht und er hatte es furchtbar langweilig gefunden. So ging er weiter um die nächste Biegung auf dem Kiesweg. Dabei war ihm auf unangenehme Weise bewusst, dass der Pferdemann ihn weiter im Auge haben würde ebenso wie die Flugechsen in den Bäumen.
Mal sehen, was es noch gibt, dachte er und ging um die nächste Biegung. Hier fand er tatsächlich eine Lichtung aber ohne Zwerge oder Elfen. Inmitten der Lichtung stand ein geflügelter Löwe, der sein Maul weit aufgesperrt hatte, als ob er gerade zum Brüllen ansetzen wollte. Theo wunderte sich nicht, dass auch diese Wesen ihn mit seinen Augen fixierte.
Die Krähe war ihm gefolgt und saß jetzt genau über ihm auf einem Ast und beobachtete ihn mit schräg gelegtem Kopf. Offensichtlich war sie kein nachgemachtes Fabelwesen und genauso lebendig wie er selber oder die Kaninchen und Tauben des Zauberers, die sich hier im Fabelwald versteckt hatten. Ob die Krähe auch zu dem Zauberer gehörte?
Theo wurden diese dauernde angeguckt werden zu viel. Er kehrte um und ging zügig zurück in die große Halle. Merkwürdig, dass außer ihm niemand in diesen Teil des Kristallpalastes gegangen war.
Hier in der großen Halle waren immer noch viele Besucher, die Zirkusmusik spielte im Hintergrund. Die Seiltänzerin war jetzt von einer Gruppe Trapezkünstler abgelöst worden, die sich in großer Höhe durch die Luft schwingen ließen, um vom mit dem Kopf nach unten hängenden Partner aufgefangen zu werden.
Lotta stand immer noch bei den Clowns und amüsierte sich. Weißclown und August waren jetzt beide pitschnass, das Spiel schien sich weiter entwickelt zu haben, war aber noch nicht zu Ende.
Theo wurde langsam ungeduldig. Es musste hier noch etwas anderes sein. Ein Tor, ein Übergang in die Anderswelt. Das hier war nicht echt. Außer den Clowns und Artisten, die waren echt, aber eben nicht anders.
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