Theo ging zurück ins Haus und hoch in den zweiten Stock. Die Wohnungstür war noch offen, so wie er sie zurückgelassen hatte. In der Küche hörte er das Klappern von Töpfen und der Duft von Tomatensoße mit Hack erinnerte ihn daran, dass es Mittagszeit war und er tatsächlich hungrig war. Es gab Spagetti Bolognese, sein Lieblingsessen.

Alles vergessen, ich muss einfach alles vergessen, dachte er.
Ich habe nur geträumt, zu viel gelesen.

Er würde gleich zu seiner Mutter in die Küche gehen, sich den Magen vollschlagen mit Spagetti und danach gab es vielleicht noch ein Eis. Schließlich war er ja jetzt gekommen und es gab keinen Grund mehr für seine Mutter ihm den Nachtisch zu verweigern. Einen Moment glaubte er wirklich, es wäre dann alles wieder in Ordnung. Nach dem Essen würde er auf sein Zimmer gehen, weiter lesen, vielleicht würde er aber auch rausgehen und eine Runde mit dem Fahrrad fahren, wenn das Gewitter vorbei wäre.

Dann spürte er wieder seine nassen Sachen an sich. Er musste sich erst mal umziehen und schlich an der Küche vorbei in sein Zimmer.

Auf seinem Bett saß Eulalia, rubbelte sich ihre langen roten Haare mit seinem Handtuch trocken, dass er heute Morgen achtlos über einen Stuhl gelegt hatte.

Also ging der Traum weiter und Theo war sich nicht sicher, ob er das wollte.

„Gut, dass du auch schon da bist, genau. Wir haben nicht allzu viel Zeit und ich muss auch bald zurück.“

„Stopp, stopp, so geht das nicht“, unterbrach sie Theo.
„Ich muss jetzt in die Küche, Mittagessen mit meiner Mutter. Wenn ich nicht gleich dort erscheine, wird sie herkommen und dich sehen!“

„Dann beeile dich. Ich kann mich derweilen von unserem kleinen Abenteuer erholen und meine Haare und Flügel trocknen.“

Theo befreite sich von seinen nassen Sachen, zog alles aus, zögerte einen Moment, ob er sich vor Eulalia nackt zeigen könnte und drehte sich um als er seine nasse Unterhose auszog. Schnell frische Sachen aus der Kommode geholt, angezogen und ab in die Küche.

Bemüht, sich nichts von seiner Aufregung anmerken zu lassen, ging er langsamer, als es ihm innerlich recht war in die Küche, setze sich auf seinen Platz. Der Tisch war schon gedeckt, seine Mutter saß schon vor ihrem Teller, guckte grimmig, sagte nichts.

„Entschuldige bitte, ich konnte nichts dafür, ich war so schnell wie ich konnte.“ versuchte Theo, die Stimmung zu verbessern.

„Du weißt genau, dass ich gleich los muss zur Arbeit. Und du weißt genau, dass wir gemeinsam essen wollen. Du hast zwar jetzt Schulferien, aber ich muss nun mal arbeiten und pünktlich los.“, gab seine Mutter zurück, aber Theo war froh, dass sie redete, das war schon ein gutes Zeichen, dann war sie nicht sehr so sauer, sondern nur noch ein bisschen.

Schweigend nahm er sich eine Portion Spagetti und begann zu essen. Währenddessen beherrschte ihn ein Gedanke: Was war wirklich mit seinem Vater? Konnte das sein, eine Nachricht von seinem Vater überbracht von einem Fabelwesen, das es doch gar nicht geben konnte, das aber nun auf seinem Bett saß und sich mit seinem Handtuch die Haare und Flügel trocknete?

„Mami, ist mein Vater wirklich tot?“ In dem Moment wo er die Worte aus seinem Mund kommen hörte, wollte er sie stoppen, zurücknehmen, aber es war zu spät.

Seine Mutter erstarrte in der Bewegung, ihre Spagetti zum Mund zu führen, ihr Gesicht fror ein ebenso wie der Blick, mit dem sie Theo fixierte.

„Was soll das Theo, wie oft willst du mich das noch fragen? Dein Vater ist tot. Das ist so und wird sich auch nicht ändern, wenn du mich immer wieder fragst. Ich wünschte es wäre anders. Aber es ist wie es ist! Wir sind immer gut ohne einen Vater ausgekommen!“

Sie schaute einen Moment zum Fenster, als ob da was wäre und dann wieder liebevoll zu Theo.

„Ich weiß, wie sehr du dir einen Vater wünschst, Theo. Es tut mir sehr leid. Aber ich kann es nicht ändern. Bitte finde dich damit ab. Können wir jetzt weiter essen?“

Theo blickte aus seinen Teller, nickte kurz, es tat ihm leid, dass diese Frage aus seinem Mund gerutscht war.
Schweigend aßen beide zu Ende. Nachdem Theo die Teller abgeräumt und in die Spülmaschine gestellt hatte, ging er zu seiner Mutter, nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Es tut mir Leid, Mami.“

Sie legte jetzt auch ihre Arme um ihn, drückte ihn und hielt ihn eine Weile fest.

„Alles gut, mein Lieber. Ich geh jetzt los, bin heute Abend wieder zu Hause. Geh noch ein bisschen raus und häng nicht die ganze Zeit in deinem Zimmer rum. Das Gewitter ist vorbei und es ist so schön draußen. Vielleicht gehst du mit jemanden zum Schwimmen?“
„Ja klar, mal sehen, vielleicht… Tschüss Mami, hab einen schönen Tag! Bis später. Ich hab dich lieb!“
„Ich hab dich auch lieb, Nun muss ich mich aber los, tschüss Theo.“


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