Tag der Befreiung. Tag der Kapitulation. Tag des absoluten Zusammenbruchs.

War das jetzt ein guter Tag für Deutschland? Ja, ganz sicher. Die Befreiung von der Diktatur der Nazis. Von der Herrschaft der Grausamkeit. Des mitleidlosen Tötens.

Deutschland über alles! Und wenn alles zusammenbricht.

Dabei waren es gar nicht so wenige, die mitgelaufen sind. Die wohl gar nicht glücklich waren.

Onkel Paul der alte Nazi, Onkel Max bei der Waffen-SS. Das ist, was ich von meiner Familie weiß. Gesprochen wurde darüber nicht. Aber die Fotos gibt es.

Onkel Max in der SS-Uniform mit dem Totenkopf. Der Blumenladen von Onkel Paul mit dem Hakenkreuz im Siegerkranz. Der stolze Besitzer davor.

Und die anderen in der Familie? Onkel Willi, Onkel Fritz – ich weiß es nicht. Es war ja nie Thema.

Tante Änne? Vielleicht hat sie NSDAP gewählt. Opa Kirschsieper sicher nicht. Opa Diebel? Keine Ahnung. Mein Vater sicher nicht. Glaube ich zumindest. Und meine Mutter eher auch nicht. Darüber wurde nicht gesprochen.

Die Angst meiner Mutter um ihren Vater, weil er oft so laut über Hitler geschimpft hat.

Mein Vater, der seinem Vorarbeiter eine Feile ins Kreuz warf, weil der eine Zwangsarbeiterin geschlagen hatte. Danach wurde er zur Wehrmacht eingezogen und nach Russland geschickt.

Auch Thema war der Bombenkrieg, der ja dann endlich vorbei war. Die Verschickung der Familie aufs Land auf einen Bauernhof, um sie zu schützen. War das vor der Vernichtung der Wohnung in der Luisenstraße?

Das Ende des Krieges erlebte meine Familie in einer Notunterkunft für Ausgebombte in den »Eisbeinhäusern«. Und hier wurde ich auch geboren und verbrachte die ersten zehn Jahre meines Lebens dort. In der Nähe standen Nissenhütten für die Vertriebenen und Flüchtlinge aus dem Osten.

Es war ähnlich wie heute. Wer dort wohnte, war minderwertig, gehörte nicht dazu, sollte am besten wieder abhauen.

Natürlich wusste ich davon nichts. In den Eisbeinhäusern zu wohnen, hieß auch, bei den Asozialen zu wohnen. Wusste ich damals auch nicht. Später in der Schule wurde es mir klar. Da war ich dann einer von den Asozialen.

Im Schlafzimmer eine ein Meter im Durchmesser ausgebesserte Stelle auf dem Betonfußboden.

„Hier ist eine Bombe durchgefallen.“ Ein Blindgänger wohl.

Ich habe das als Kind mit Interesse zur Kenntnis genommen.


Heute ist die Gefahr so groß, dass das alles vergessen wird.

„Das war ja nicht alles schlecht beim Adolf.“

Oder: „Der war in Wirklichkeit Kommunist. Schlimmer Mensch.“

„Aber wir sind die aufrechten Rechten. Wir verteidigen die Freiheit gegen die Linken, die Grünen und alles Böse in Deutschland und der Welt.“

Neusprech. Fake News.

Was kann ich tun? Was können wir tun, dass diese dunkle Macht nicht wieder herrschen kann?


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