An die Zulassungsstelle für die Seniorenuni an der HAW

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit großem Interesse habe ich den Artikel über die Seniorenuni an der Hamburger Universität für Angewandte Wissenschaften (HAW) im Elbvorortewochenblatt von dieser Woche gelesen. Mit Freude habe ich zur Kenntnis genommen, dass auch für Senioren wie mich noch jede Menge Bildungsmöglichkeiten offenstehen. Ich muss nicht vor dem Fernseher verblöden, sondern kann mich für nur 12 Euro pro Vortrag weiter bilden lassen. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob ich tatsächlich alle Zugangsvoraussetzungen erfülle, und ob ich den Anforderungen der Vorträge gewachsen bin.

Ich bin ich schon zwar etwas über 55 Jahre alt, ich gehe aber nicht mehr in ein Fitnessstudio, was Sie wohl als wesentliches Kennzeichen für Aktivität im Alter bewerten. Mein letzter Versuch bei Kieser Training endete damit, dass es mir zu langweilig wurde, in der einseitigen Auseinandersetzung mit Maschinen Kraft aufzuwenden. Vielleicht heißt das aber auch, dass ich nicht die richtige Einstellung habe. Mentale Fitness wird ja, wie ich dem Artikel entnahm, auch an der HAW betrieben. Vielleicht können Sie mir sagen, ob der Besuch eines Fitnessstudios unbedingte Voraussetzung ist, um an der Seniorenuni teilzunehmen. Oder haben Sie dazu eigene Angebote, wie z.B. „Mit über 55 noch mal die Hantel heben“?

Wie gesagt über 55 bin ich schon und zähle somit zu den älteren Hamburgern. Auch für mich war wie im Artikel beschrieben, Bildung nicht immer selbstverständlich. Allerdings kann ich mich an die Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren und den zweiten Weltkrieg nicht mehr direkt erinnern. (Vielleicht auch schon eine Alterserscheinung, der man mit mentaler Fitness, die bei Ihnen wie gesagt betrieben wird, begegnen kann?) Immerhin kann ich mich an die harte Zeit danach sehr gut erinnern und dass höhere Bildung für mich tatsächlich alles andere als selbstverständlich war. Die gegenwärtige Krise ist ja eigentlich auch schon quasi eine Weltwirtschaftskrise und durchaus vergleichbar mit der in den dreißigern. An den zweiten Weltkrieg kann ich mich nicht selbst erinnern, dafür aber noch sehr deutlich an den Vietnamkrieg, den ersten und zweiten Golfkrieg, Afghanistan und unzählige andere. Vielleicht zählt das ja ersatzweise.

Besonders interessant finde ich den Vortrag „Vom Rechenschieber zum Notebook“ laut Ankündigung eine Zeitreise durch die letzten drei Jahrtausende. Wenn es danach geht, muss ich doch schon ganz schön alt sein, denn da kann ich Einiges aus eigenem Erleben beitragen. Hier wäre zu überlegen, ob das nicht auch ein Thema für jüngere Semester wäre. Heute kann jeder die schwierigsten Logarithmen oder Sinuskurven mit der entsprechenden Software berechnen lassen, wir haben noch lernen müssen, mit einem Abakus zu multiplizieren. So ein Abakus war zwar auch ein Computer (deutsch:Rechner), er funktionierte aber völlig ohne Strom, stattdessen mit bunten Kügelchen, die man auf Stäben hin und herschieben musste. Schieben musste man auch beim Rechenschieber, wie das Wort schon sagt, funktionierte aber anders, aber auch ohne Strom.

Bei den anderen Themen kann ich auch aus eigenem Erleben beitragen, würde aber gerne noch etwas lernen.“ Wie kann ich mich bei Stress mit Banken und Versicherungen zur Wehr setzen?“ Wenn alle Dispos ausgereizt sind, keine Kreditkarte mehr funktioniert, dann hat man natürlich Stress, ja, da wüsste ich gerne, wie man damit umgeht, und auch deshalb möchte ich gerne prüfen lassen, ob ich alle Zugangsvoraussetzungen erfülle.

Und natürlich möchte ich in diesem Zusammenhang mehr darüber wissen, wie man sich vor unseriösen Gewinnspielen schützt. Wenn die finanzielle Situation so ausgereizt ist, wie oben beschrieben, lässt man natürlich keine Gelegenheit aus, um die Lage zu entspannen. Letztens habe ich eine Reise gewonnen. Ich wurde eingeladen, für die Preisübergabe an einem kostenlosen Abendessen und ebenso kostenlosen Vortrag teilzunehmen. Der Vortrag handelte von kleinen Quälgeistern und Monstern, die fürs Auge unsichtbar in der Bettwäsche und Matratzen tummeln, sich von unseren Hautschuppen ernähren und anschließend massenhaft in unser Bett koten. Ekelhaft! Netterweise hat man mir zu einem Vorzugspreis die entsprechenden Schutzdecken verkauft, die ich jetzt statt der Federbetten benutze. Ach ja, bei der gewonnenen Reise handelte es sich um einen anteiligen Gewinn von 20%, der Rest musste selber bezahlt werden. So günstig wäre ich sonst nie für zwei Wochen in die Türkei gekommen. War das jetzt unseriös?

Ich werde auch fast täglich angerufen, um mir Lotterielose oder andere Gewinnspiele anzubieten, wie erkennt man denn da, ob das seriös ist?

Natürlich würde ich mich auch gerne darüber informieren, wie man sich vor Taschendieben schützt, was einer der angebotenen Vorträge verrät. Ich vermute, dass dazu eine gewisse körperliche Fitness gehört. Und damit sind wir wieder bei meiner Anfangsfrage: Ist es unbedingt erforderlich, regelmäßiger Besucher eines Fitnessstudios zu sein, oder reicht es, wenn man mal in einem gewesen ist?

Ich bitte mein Anliegen wohlwollend zu überprüfen und hoffe auf eine baldige positive Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Diebel


Eine Antwort zu „Seniorenuni auch für mich?“

  1. Avatar von gabi

    wunderbar, dein Text, sehr sarkastisch ist er aber auch. Ich habe sehr gelacht und rate dringend zur Veröffentlichung. Für Ahnungslose wäre es vielleicht noch ganz gut, den Anlass dieses Textes näher zu erklären.

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